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Interview mit Stèfano Sabetti

Process Inquiry, die Kunst dem Energiefaden zu folgen

Interview von Katarina Weiher mit Stèphano Sabetti


Du hast eine Promotion im Bereich von Counseling, zu deutsch etwas vereinfacht mit Beratung übersetzt, gemacht, hast dich ausführlich mit dem Ansatz von Carl Rogers befasst. Was hat dich veranlasst, etwas zu entwickeln, das darüber hinaus geht?
Ich schätze die Arbeit von Rogers sehr. Sie war bahnbrechend für ihre Zeit, stellte den Klienten in den Mittelpunkt, hob das Expertentum des Therapeuten vom Sockel. Allerdings schien sie mir nicht hilfreich genug zu sein für Gespräche, in denen die Menschen nicht klar waren, was sie sagen wollten. Da sprachen die Beteiligten oft auf verschiedenen Ebenen, die Fragen kamen nicht wirklich an.
Also war meine Frage, wie hilfst du jemandem, gerade in der Therapie, auf das wesentliche Thema zu kommen, wenn es ihm noch nicht klar ist. Was ist oberflächlich, was liegt wirklich darunter, ist latent? Und mir wurde deutlich, dass etwas Ähnliches in nahezu jedem Gespräch passiert, nicht nur in therapeutischen. Es gibt mehr als zwei Ebenen, die man in der Kommunikation beachten kann:
Natürlich die Inhaltsebene – also das Thema. Darüber hinaus aber auch die emotionale Ebene. Das Gefühl, das mit dem Thema verbunden ist. Außerdem die Prozessebene. Bewegungen, die darunter liegen. Mein Studium in Akupunktur hat z.B. gezeigt, wenn ein Fluss geändert wird, werden das Gefühl und was damit verbunden wird, ebenfalls geändert. Ich habe dies auf Kommunikation übertragen und spreche deshalb von der Energiebasis in der Kommunikation. Alles zusammen brachte mich dazu, ein System zu entwickeln, dass alle diese Elemente integriert: Das Klären des Wesentlichen, das auf den Punkt kommen und bleiben, die verschiedenen Ebenen im Gespräch, die Energiebasis.

Wie kannst du den Fluss ändern im Gespräch?
Wie gesagt, über den Prozess. Wenn z.B. jemand relativ eng ist, seine Körperhaltung geschlossen ist, dann kann ich meine eigene körperliche Haltung verwenden und einladen, offener zu werden. Indem ich langsamer oder schneller spreche, höher oder tiefer, Dinge in meinen Gesprächsstil integriere, die nicht direkt etwas mit dem Inhalt zu tun haben: Pausen, Betonung von bestimmten Worten etc.
Es ist das Wie, der Prozessteil des P.I., der sehr viel beeinflusst. Meiner Meinung nach liegen ca. 80% der Information im Wie und nicht im Was. Oft sprechen wir über Dinge – ohne echte Beteiligung. Aber wenn wir wirklich von den Sachen reden, ist es eine völlig andere Perspektive und eine deutliche Verbesserung in der Kommunikation, in seiner Bedeutung und Wahrheit.

Daraus hat sich die Energie-Perspektive entwickelt?
Ja, energetisch heißt, die Dynamik von Quantität und Qualität zu verstehen. Ich spreche auch vom Quantum und Qualtum Bewusstsein. Quantum wäre, wie viel jemand was sagt, oder wenn er plötzlich stärker als zuvor etwas betont, Qualtum meint das Feine, Subtilere manchmal, etwas, das einfach weggelassen, nicht gesagt wird. Oder die Augen gehen plötzlich mitten im Gespräch aus dem Kontakt. Diese verschiedenen Elemente ergeben ein energetisches Muster. Wir verstehen den Körper als Energiesystem. Alles, was das System von sich gibt, ist ein Ausdruck von Energie, in Worten, Bewegung, Augenkontakt, dem Strahlen der Augen, die sich plötzlich bewölken. Die energetische Perspektive bringt eine Integration von allem, was du siehst und hörst. Wenn du trainiert bist, kannst du die verschiedenen Wahrnehmungsebenen zusammenbringen.

Zu lesen ist immer wieder, P.I. sei besonders schnell, einfach und klar – wieso?
Wir gehen nicht um den Brei, wir betrachten weniger die Dinge, die nicht im Moment sind, alte Muster. Dies ist nur selten notwendig, wenn wir sie konkret verändern wollen. Entscheidend ist, was jetzt im Moment heiß bzw. essentiell ist. Vielleicht war es gestern und wird es morgen nicht essentiell sein – entscheidend ist der Moment jetzt. Dort ist die meiste Energie, und wo die meiste Energie ist, kann am meisten Wachstum passieren. Wir haben einen klaren Fokus für den Moment.
Dadurch sind, gestaltpsychologisch gesprochen, Hintergrund und Vordergrund relativ klar, die Effektivität gesteigert. So sind wir schnell am Punkt. Oft ist an diesem Punkt der Widerstand gering. Die Person ist bereit, in das Erforschen ein zu steigen. Wir arbeiten mit Resonanz, einerseits mit der eigenen inneren, die wir verwenden, um die nächste Frage, die nächste Intervention zu stellen. In erster Linie aber mit der Resonanz zur anderen Person. Wo schwingt sie mit, auf welcher Ebene, in welcher Weise.
Allerdings braucht das auch die Kreativität, alles einzubeziehen, was geschieht, zu sehen wo z.B. Angst entsteht. Dies ist auch ein energetischer Prozess, eine Kontraktion, wörtlich betrachtet: ein Zusammenziehen. Wenn wir uns mit dieser Kontraktion bewegen statt dagegen, wenn wir die Person darauf aufmerksam machen, mitgehen, einladen, herauszugehen oder tiefer hinein, je nachdem, was für den Prozess stimmig ist, folgen wir dem Energiefaden. Dadurch wird es effektiv, weil es von einem essentiellen Punkt zum anderen geht. Wir müssen nicht clever sein, sondern brauchen nur die Fähigkeit zu entwickeln, dem Energiefaden zu folgen.

Was genau meinst du mit Energiefaden?
Der Energiefaden ist eine nichtlineare Verbindung von Lernmomenten, ein Kontinuum von verschiedenen Hauptpunkten, an denen Lernen stattfindet, heiße Momente, in denen Widerstand oder Angst auftaucht, aber auch gelöst werden kann. Dadurch entsteht ein Zusammenfließen, eine Integration als Dynamik in einem Gespräch. Ohne diesen Faden gehen die Dinge aus der Mitte weg, haben nichts miteinander zu tun, verlieren an Bedeutung.
Wenn man wirklich dem Energiefaden folgt, dann kommen wir auf essentielle Punkte, eine Diskussion wird mehr integriert und die Lösung von Problemen, falls welche da sind, ist möglich.

Der Energiefaden entsteht also quasi virtuell, in diesem Moment. Er ist nicht vorher da, sondern entwickelt sich hier mit diesem Gesprächspartner, richtig?
Korrekt. Es ist ein organischer Prozess, der sich im Moment entwickelt. Es sind nicht die Einzelteile an sich, auch wenn sie wichtig sind. Alles hängtzusammen, wichtig ist, dieses wie ein Netzwerk zu sehen, in einer Person, in einer Kommunikation. Auch die Quantenphysik zeigt, in einem ähnlichen Prozess, dass alles verbunden ist. Manche Gespräche verlieren diesen Faden. Dann kann kein nachhaltiges Lernen stattfinden. In P.I. ist das anders. Wir sehen die Verbindungen. Es entwickelt sich vor uns eine natürliche, organische Verbindung von einem Punkt zum anderen.

Ein zentrales Thema im P.I. ist das Phänomen der Einpunktigkeit – was hat das zu bedeuten?
Wir betrachten die Welt oft dualistisch, daraus ergeben sich häufig Konflikte. Wir kommen zu Einpunktigkeit, wenn wir die verschiedenen Elemente als Teile eines gemeinsamen Bildes sehen. Das Bild wird klarer, indem alle Punkte zusammen sind. Und in einem Gespräch, einer Forschung kommen all diese Elemente, die scheinbar oben, unten, manifest oder latent sind, auf einen gemeinsamen Nenner. Dadurch wird es einfacher, direkter und intensiver. Dinge sind schon zusammen, aber wir sehen das oft nicht mehr, weil es nicht in das Image und in das Weltbild passt.
Allerdings, wenn wir im Gespräch auf einem Faden zusammen sind, ergeben sich Fragen und Antworten fast automatisch. Dann kommen die nächsten Fragen und die evtl. tiefere Antwort darauf. Es entwickelt sich ein so genanntes Fragen Kontinuum. Viele Menschen haben zunächst erstmal keine Fragen, sie sind relativ taub mit allem, aber mit der Zeit entwickelt sich Bewusstsein, und sie sehen dann z. B. Dinge, die nicht zu ihnen passen. Dann kommen in der nächsten Phase Fragen zu dem, was nicht passt. Im P.I. folgen wir dem, fragen, wie das zusammen hängt. Zum Beispiel: Du willst dich ändern, aber wir sehen keine Änderung – wie passt das zusammen? Was heißt das für dich? Wir folgen diesen Fragen. Das ist teilweise eine Unterstützung und für manche auch eine starke Konfrontation.
Ich habe eingangs die klientenzentrierte Beratung von Rogers erwähnt. Die ist sehr unterstützend, wunderbar in ihrer Menschlichkeit, ihrer Akzeptanz. Energetisch gesprochen würden wir das eher den Yin-Part nennen. Doch nach meiner Erfahrung braucht es für die innere Erforschung gerade auch den Yang-Teil, die Konfrontation. Punkte zu hinterfragen, die nicht zusammen passen, bringt weiter in Therapie, Diskussionen, Organisationen. Und so verstanden, kann auch eine Konfrontation eine wesentliche Unterstützung sein. Denn die Herausforderungen für die Klienten liegen in der Regel in einem Gespräch bei den Yang-Elementen, weniger bei den Yin-Elementen.

Du sprichst mal den therapeutischen, mal den organisatorischen Kontext an. Kann P.I. also überall angewendet werden?
Nahezu. Denn unsere Basis sind Prozesse, Bewegungen. Schauen wir uns eine Organisation an. Wie das Wort schon zeigt, handelt es sich um die Verbindung, von verschiedenen Organen (Abteilungen), wie auch unser Körper eine solche Organ-isation ist. Jede Einheit hat seine eigene Bewegung. Betrachten wir die Bewegung von einem Organ zum anderen, sei es im Mensch oder in der Firma. Wie ergeben sich daraus zusammenhängende Bewegungen einer Organisation, eines Körpers?
Folgen wir diesen Beobachtungen, können wir Fragen entwickeln, die genau dazu passen. Je nach Kontext sind die Ebenen entscheidend. Manchmal ist es nicht so passend, auf die emotionale Ebene ein zu gehen, aber das Gefühl muss immer dabei sein. Denn es enthält oft wichtige Informationen. Dennoch gehen wir in einem Mitarbeitergespräch beispielsweise nicht so tief auf diese Gefühlsebene, wie es z.B. bei Psychotherapie üblich wäre. Deshalb orientiert sich das Training in PI zunächst mal eher an persönlichkeitsentwickelnden, beraterischen Fragestellungen. Es enthält aber immer auch feldspezifische Sequenzen, in denen die Methode in den Kontexten trainiert wird, in denen die Weiterbildungsteilnehmenden arbeiten.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

 

 

 

 

 

 

 

 

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